Für
das Jahresfest des Nationaldemokratischen Parteiorgans
„Deutsche Stimme“ hatten Tausende überwiegend
junge NPD-ler und Kameraschaftsangehörige aus
ganz Deutschland das beschauliche Oberlausitzdorf
regelrecht übernommen. Am Abend verkündeten
die Veranstalter 7.000 Teilnehmer, die Polizei schätzte
4.000. Zum 3. Pressefest 2003 im westsächsischen
Meerane kamen gerade die Hälfte.
Umfragen zufolge
liegt die NPD sechs Wochen vor der Landtagswahl bei
fünf Prozent. Den Einzug ins Parlament sollen
Stimmen der Kameradschafts- und der DVU-Anhänger
bringen. Die DVU tritt zugunsten der Nationalen gar
nicht selbst an. So schwört NPD-Bundesvorsitzender
Udo Voigt auf dem fußballfeldgroßen Freigelände
vor der örtlichen „Diskothek Wodan“
seine Gefolgschaft auf nationalistische Ziele ein:
Deutschland solle das Land der Deutschen bleiben,
„Breslau, Danzig und Königsberg“
wieder deutsche Städte werden.
Sachsens Spitzenkandidat
Holger Apfel zündelt gar auf faschistischem Terrain:
„Wir werden nicht eher ruhen, als bis deutsche
Umerziehungsstätten wie das (Berliner) Holocaust-Mahnmal
dem Erdboden gleich gemacht sind“, hetzt der
33-Jährige in die Menge zwischen den „Landskron“-Bierschirmen
und erntet den frenetischen Applaus der Kurzhaarigen.
Das Geld dafür sei in Bildung und Kindergärten
oder bei den sozial Schwachen im Land besser aufgehoben,
sekundiert Voigt. Es geht gegen „Ausländer,
Schwule und Kiffer“, die Hartz-Reform wird als
„unsinnige Bürokratie“ und überflüssig
abgetan, eine Haltung, die die NPD mit der PDS teilt.
Für den sächsischen
CDU-Parlamentarier und Ex-Innenminister Heinz Eggert
sind Apfels Einlassungen volksverhetzend und „ein
Fall für den Staatsanwalt“. Der Landkreis
habe das Pressefest als Veranstaltung mit politischemn
Charakter genehmigt, trotz Musikgruppen, Stier-Rodeo
und Hüpfburg, klagt Bürgermeister Holger
Theurich (parteilos). Am Bushäuschen zeigt eine
Frau Verständnis für die Entscheidung: „In
der Zeitung stand’s, sie könn’ nischt
machen!“.
Aber auch öffentliche
Proteste gegen den braunen Spuk blieben aus. „Ein
Phänomen, dass die Linken schweigen“ und
der sonst übliche „Widerstandstourismus“
unterblieb, meint Eggert ratlos. Einheimische Jugendliche
hätten Mücka zum Wochenende demonstrativ
verlassen, erzählt eine Mückaer Neuntklässlerin
an der Dorfstraße. Die Älteren seien dageblieben,
um ihr Hab und Gut vor Vandalen schützen zu können,
sagt Theurich.
So rollten Pkws
und Busse aus ganz Deutschland nach Mücka, kaum
eine Region zwischen Ahlbeck und Singen fehlt. Die
Neonazazis kommen, um einmal dem tristen „Kameradschaftsabend“
zu entrinnen und „unter Gleichgesinnten zu sein“
oder, um die Refrains rechter Bands wie „Kraftschlag“,
„Youngland“ mitzugrölen. Den Lettern
auf ihren schwarzen Shirts zufolge gehören sie
zur „Schwarzen Division“, sind „Radikal
volkstroi“ oder stehen im „Krieg gegen
ein Scheiss-System“. Viele sind Neonazis seit
Geburt, manche leugnen die Judenvernichtung.
„Wodan“-Inhaber
Erik Myrtha gilt im Ort selbst als Nationalist. Im
Mai öffnete er für den rechten Sänger
Frank Rennicke den Tanzsaal, am Sonnabend war es neben
Wehrmachtsveteranen ein ganzes Liedermachertrio. „Die
Disko ist platt“, erzählt Bürgermeister
Theurich, sie zahle keinen Euro Gewerbesteuer mehr.
Da ist jedes Geschäft recht. Nur noch Glatzen
gehen dahin, sagt die Neuntklässlerin. Protest?
„Das bringt nichts“.
Bis 1990
herrschte in Mücka Vollbeschäftigung in
der Landwirtschaft und in der nahen Waggonfabrik.
In einem Ort, wo heute Hunderte arbeitslos zu Hause
sitzen, lebten viele nach der Devise „macht
ihr mal und lasst mich in Ruhe“, klagt der Bürgermeister.
„Ob die NPD in den Landtag einzieht, hängt
von der Wahlbeteiligung ab“, sagt Eggert. So
könnten gleichgültige Bürger der NPD
am 19. September über die Fünfprozenthürde
helfen. ...zurück
von
Tilman Steffen
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