Berlin 17. Nov.: Ein
vom Fraunhofer-Institut entwickeltes elektronisches Puzzle-System
kann die Rekonstruktion von Stasi-Aktenschnipseln künftig
drastisch beschleunigen. Mit dem Verfahren sei es möglich,
die seit der Wende in rund 16.000 Säcken lagernden Papierfragmente
binnen fünf Jahren elektronisch zusammenzufügen
und aufzuarbeiten, sagte Bertram Nickolay vom Fraunhofer-Institut.
Das Zusammensetzen von Hand würde dagegen mehrere Hundert
Jahre dauern.
Bei dem gemeinsam mit
dem Datenverarbeiter Lufthansa-Systems entwickelten System
werden die auf einem Fließband vorsortierten Papierschnipsel
in Folie geschweißt und anschließend von elektronischen
Scannern fotografiert. 100 parallel geschaltete Hochleistungsrechner
durchsuchen die Farbbilder dann nach zueinander passenden
Teilen. Sobald die Bundesregierung die Finanzierung zusichere,
solle in Berlin eine Schnipselsortier- und Scannerstrecke
errichtet werden, sagte Gunter Küchler von Lufthansa-Systems.
Die zusätzlichen Kosten belaufen sich laut Birthler-Behörde
auf einen "einstelligen Millionenbetrag pro Jahr".
Die Studie sei im Oktober dem Bundestags-Innenausschuss zugeleitet
worden, sagte Behördensprecher Christian Booß.
Mit dem Zusammensetzen
der schätzungsweise 600 Millionen Schnipsel könnten
noch nicht verjährte Straftaten wie Landesverrat, Mord
und Totschlag aufgeklärt werden, sagte Günter Bormann,
Referatsleiter der Birthler-Behörde. Zudem werde die
Akteneinsicht durch Stasi-Opfer erheblich beschleunigt. Seit
1995 hätten im ehemaligen Auffanglager Zirndorf bei Nürnberg
bis zu 15 Behördenmitarbeiter bisher rund 500.000 Blatt
von Hand rekonstruiert, sagte Booß. Rund 1.000 Vorgänge
"von erheblicher öffentlicher Bedeutung" seien
seitdem rekonstruiert worden. In den Säcken fanden sich
den Angaben zufolge unter anderem besonders rare Spionageunterlagen
der Abteilung XV (Auslandsspionage) sowie IM-Verpflichtungserklärungen,
für die es keine Duplikate gibt.
Den Auftrag für die
Entwicklung des Systems hatten das Fraunhofer-Institut und
die Lufthansa-Tochterfirma 2000 vom Bundestag erhalten. Insgesamt
hatten rund 20 Konsortien Interesse an dem Vorzeigeobjekt
bekundet, sagte Nickolay.
Nach dem Zusammenbruch
der DDR hatte der Staatssicherheitsdienst der DDR versucht,
in letzter Sekunde seine Unterlagen zu vernichten. Als die
Reißwölfe angesichts der Materialfülle versagten,
zerrissen die Mitarbeiter die Aktenblätter von Hand in
bis zu 20 Teile. Die Säcke mit Schrift-, Bild- und Tonmaterial
wurden im Januar 1990 gefunden. In jedem werden bis zu 2.500
A4-Seiten vermutet.
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von
Tilman Steffen
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